Klappentext
»Salam, hier schreibt Ali-Reza. Ich kannte ihre Mutter gut und verfüge über einen Brief, den ich Ihnen überreichen soll. Es ist wichtig. Für Sie mindestens so sehr wie für mich.«
„Ali Najjar glaubt, seine Vergangenheit weit hinter sich gelassen zu haben. Er ist längst in Deutschland angekommen, als Produktdesigner erfolgreich. Der Iran, Teheran, seine Familie sind für ihn eine fremde Welt. Dann erreicht ihn die Nachricht eines Unbekannten. Und alles, woran er bislang festgehalten hat, gerät ins Wanken.“
Meinung
Den Anfang des Romans fand ich mehr als gewöhnungsbedürftig. Unser Protagonist Ali Najjar ist mehr als unsympathisch! Er ist extrem überheblich, beschimpft seine Mitarbeiter und behandelt sie wie Menschen zweiter Klasse. Na super, dachte ich, und wollte das Buch schon abbrechen.
Dann kamen in kurzer Zeit aber zwei Figuren hinzu, denen ich mehr abgewinnen konnte als Ali Najjar: Sina und Ali-Reza. Sina ist ein Mitarbeiter bei Ali Najjar, nimmt sich durch eine Lebenskrise aber eine Auszeit von seiner Arbeit. Und Ali-Reza spielt im Leben von Ali Najjar eine weitaus größere Rolle als er bislang angenommen hat.
Wir haben also drei unterschiedliche Protagonisten in „Das Paradies meines Nachbarn“, die aber eines gleich haben: Sie sind alle in irgendeiner Weise mit dem Iran verbunden. Ob es nun die Heimat, Herkunft oder ihr Schicksal ist, das muss der Leser im Laufe des Romans selber herausfinden.
Alle drei Leben treffen zusammen. Aufgrund eines Briefs, den Ali-Reza an Ali Najjar schreibt, fliegen er und Sina nach Dubai, um Ali-Reza zu treffen. Und ab hier beginnt in meinen Augen erst die eigentliche Geschichte. Es wird turbulent, aufregend, verletzend, die Wahrheit kommt ans Licht.
⟫ Du trägst keine Schuld, und du trägst sie doch.
Ich schätze, das heißt es zu leben. Zu überleben. ⟪
Zitat, S. 209
Die Autorin führt die Heimat von allen drei Männern zusammen, alte und neue Heimat. Wo sind die Wurzeln jedes einzelnen? Was ist Heimat, was ist Zuhause, was ist Herkunft, wo gehöre ich hin? Was ist meine wahre Identität? Ist meine Herkunft unwiederbringlich mit meiner Heimat verbunden, oder kann ich neue Wurzeln schlagen und ein neues Zuhause finden, eine neue Heimat?
Ein ebenfalls überaus interessanter Aspekt der Geschichte ist die Frage der Schuld. Wie schuldig kann sich ein Mensch machen? Wie viel Schuld kann ich auf meinen Schultern tragen, ehe ich zusammenbreche? Bin ich schuld an dem Schicksal eines anderen? Und wenn ja, kann ich diese Schuld wieder gut machen?
Nava Ebrahimi hat mit „Das Paradies meines Nachbarn“ ein vielschichtiges Buch mit wichtigen Fragen zu Heimat und Herkunft, Schuld und Schicksal geschrieben, welches sich erst zum Ende hin völlig entfaltet. Die Figuren sind auf den zweiten Blick viel multidimensionaler als es auf den ersten Seiten scheint.
Fazit
Ich empfehle „Das Paradies meines Nachbarn“ gerne weiter! Es ist eine außergewöhnliche Geschichte, die mit der Zeit immer interessanter wird. Nava Ebrahimi überlässt es dabei ganz dem Leser, die
Fragen zur Herkunft und Schuld zu beantworten. Ein Roman zum Nachdenken. Ich gebe dem zweiten Roman von Nava Ebrahimi vier von fünf Sternen. ⭐️ ⭐️ ⭐️ ⭐️