· 

„Die Insel der Unschuldigen“ von Jess Kidd


[ Werbung, unbezahlt. Rezensionsexemplar. ]

   ⟼   Klappentext

„1628 begibt sich die neunjährige Mayken mit ihrem Kindermädchen auf eine abenteuerliche Reise: Auf dem berühmtesten Schiff der Niederländischen Ostindien-Kompanie, der Batavia, will sie nach Java zu ihrem Vater reisen, einem reichen Kaufmann, an den sie sich kaum noch erinnern kann. Fasziniert vom Leben an Bord erobert sie mit ihrer Neugier das riesige Schiff und gewinnt Freunde, wahre und falsche, auf und unter Deck. Freunde, die ihr helfen zu überleben, als das Schiff auf ein Riff aufläuft und Chaos und Gewalt ausbrechen.

1989 ist der neunjährige Gil fasziniert von dem Schiffswrack, das Wissenschaftler vor der Küste einer kleinen Insel zu bergen versuchen. Nach dem Tod seiner Mutter lebt der Junge bei seinem Großvater, einem wortkargen Fischer, mit dem niemand auf der Insel etwas zu tun haben will. Das Leben mit dem alten Mann verstärkt in dem schüchternen Jungen das Gefühl der Einsamkeit. Doch vor allem bedrückt ihn, dass er nicht über die Geschehnisse reden kann, die dem Tod seiner Mutter folgten.

Vergangenheit und Gegenwart, die Geheimnisse von Erwachsenen und die Unschuld von Kindern: Jess Kidd erzählt die Geschichte zweier junger Menschen, die mit beeindruckendem Mut und großer Fantasie versuchen, sich eine ungerechte Welt zu erklären.“

 

 

   ⟼   Meinung 

Jess Kidd ist schon lange eine meiner liebsten Autorinnen. Jede ihrer Geschichten faszinierte mich auf ganz unterschiedliche Weise und jedes Buch wird anstandslos gekauft (auch ohne das Durchlesen des Klappentexts).

 

In dem neuesten Werk von Jess Kidd „Die Insel der Unschuldigen“ nimmt sie uns mit auf das Schiff Batavia und nach Bacon Island (der Fall zur Batavia beruht auf einer wahren Begebenheiten). Wir begleiten unsere beiden Protagonist*innen Mayken und Gil auf zwei Zeitebenen - Mayken ist im Jahr 1628 auf der Batavia unterwegs; Gil ist knapp 360 Jahre später im Jahr 1989 auf der Insel, wo die Batavia auf Riff gelaufen ist. Zwei unterschieldiche Schauplätze, zwei völlig verschiedene Kinder - und daraus zaubert Jess Kidd eine mystische, geheimnisvolle, zum Teil brutale Geschichte über Freundschaft, Tod, Verlust und kindliche Abenteuer.

 

Mayken ist ein abenteuerlustiges Mädchen, sie bringt sich selbst auch gerne mal in schwierige und gefährliche Situationen. Angst kennt sie dabei aber kaum. Und Gil? Er scheint das genaue Gegenteil zu Mayken zu sein: ein traumatisierter, sensibler Junge, der es in seinem bisherigen Leben nicht immer leicht hatte. Beide Charakter sind nahezu perfekt ausbalanciert und so auch die Kapitel, in denen ihre Geschichten erzählt werden. Wie Jess Kidd die Puzzleteile zusammenfügt ist ihr (mal wieder) meisterlich gelungen.

 

Am Anfang musste ich mich aber auf die Geschichte einlassen, denn sie ist doch ganz anders als beispielsweise „Der Freund der Toten“. Nachdem ich das aber akzeptiert habe, konnte ich mich vollends auf „Die Insel der Unschuldigen“ konzentrieren und den Roman genießen (sofern „genießen“ das richtige Wort ist). Jess Kidd erzählt von realen und fiktiven Monstern, von menschlichen Abgründen: Wie tief kann der menschliche Abgrund sein? Wie kommt es, dass ein Mensch dort hin gelangt? Wie schafft man es dort wieder raus, oder ist das überhaupt nicht möglich?

 

„Die Insel der Unschuldigen“ von Jess Kidd ist anders, konnte mich aber komplett abholen. Nicht nur die Zeitebenen waren gelungen, sondern vor allem auch die grandios ausgereiften Figuren und ihre eigenen Geschichten. Von mir gibt es eine klare Leseempfehlung, muss aber auch dazu sagen, dass man für den Roman auch in der richtigen Stimmung sein muss.

 

(Wer übrigens mehr über den realen Fall des Schiffs Batavia hören will, dem empfehle ich an dieser Stelle auch sehr gerne die Folge „#3 Das Schicksal der Batavia - 1629 war mehr Verbrechensbingo“ vom Podcast „Früher war mehr Verbrechen“.)

 


 

The Nightship

übersetzt von Werner Löcher-Lawrence

DuMont Buchverlag

Originalverlag: Canongate Books, 2022

475 Seiten ⎥ Hardcover ⎥ 25€

erschienen am 18. April 2023