[ Werbung, Rezensionsexemplar ] Herzlichen Dank an den Penguin Verlag!
Klappentext
„Wenn eine Frau Opfer staatlicher Willkür wird, nur weil sie zur falschen Zeit auf dem Weg zur Arbeit ist. Wenn ein Vater sich gezwungen sieht, über seine Tochter zu richten, um die Ehre der Familie zu retten. Wenn einem Mädchen nur die Flucht von zu Hause bleibt, um selbst über sein Leben zu bestimmen.
Jede einzelne der Schicksalsgeschichten lässt einem den Atem stocken, weil nichts so erschütternd ist wie die Realität, aus der Selahattin Demirtaş schöpft. Nur selten kommt man dem Alltag in der islamischen Welt so nahe wie in diesen Erzählungen. Konkret und ungeschönt schildern sie das Leben in der Türkei, das gespalten ist zwischen Tradition und Moderne, Ignoranz und ohnmächtiger Wut. Storys von politischer Wucht – die in der Türkei von Hunderttausenden gelesen werden.“
Meinung
Selahattin Demirtaş ist Politiker und sitzt aufgrund der in der Türkei herrschenden politischen Willkür im Hochsicherheitsgefängnis Edirne ein. Noch nie habe ich ein Buch von einem inhaftierten Autor gelesen und war deswegen noch sehr viel neugieriger als ohnehin schon.
Aber kann ein in Haft sitzender Politiker tatsächlich emotionale Kurzgeschichten über das Leben in der Türkei schreiben? Diese Frage kann ich mit einem klaren JA beantworten!
Was Selahattin Demirtaş zu Papier gebracht hat, bewegt sich immer zwischen den Gefühlen von Abscheu und Wut, Traurigkeit und Hoffnung. Oft wusste ich nicht, ob ich mir an den Kopf fassen soll vor Unglaube oder ob ich weinen soll.
Was ich unglaublich wichtig und erwähnenswert finde ist, dass der Autor das Buch allen „misshandelten und ermordeten Frauen“ widmet. Das spiegelt sich auch in den Geschichten wider, in denen sehr häufig eine sehr starke Frau die Hauptrolle spielt. Für mich hat sich der Autor ganz klar ausgesprochen für ein moderneres Frauenbild in der Türkei bzw. der muslimischen Welt, vielleicht möchte Selahattin Demirtas aber auch einfach nur auf das Unrecht aufmerksam machen, das vielen Frauen widerfährt. Einige der Storys stimmten mich sehr traurig, denn das Beschriebene erinnerte mich daran, wie grausam die Realität sein kann.
„Und ich habe etwas Wichtiges gelernt:
Wenn du nur kräftig und voller Mut ausschreitest,
kommst du manchmal schneller voran als ein Auto.
Ich bin Nazan, die Putzfrau.“
(Zitat S. 44)
Die Storys in „Morgengrauen“ rütteln auf, einige sind angsteinflößend, fast alle Kurzgeschichten hinterlassen ein beklemmendes Gefühl der Hilflosigkeit. Ich fühlte mich oft verloren während der Lektüre. Es ist vor allem diese politische Willkür, die mich sprachlos zurückgelassen hat.
Fazit
Sprachlich nicht oft herausfordernd, dafür thematisch ganz große Klasse! Für mich ist „Morgengrauen“ ein grandioses Beispiel dafür, dass Literatur keine Grenzen kennt und auch nicht kennen darf. Ich vergebe viereinhalb von fünf Sternen! ⭐️ ⭐️ ⭐️ ⭐️ ✨
Originaltitel: Seher
aus dem Türkischen von Gerhard Meier
978-3-328-60061-9
16,00 €
144 Seiten, Gebundene Ausgabe
erschienen am 15. Oktober 2018