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Klappentext
„Dieses Buch folgt einer Sehnsucht: nach einer Sprache, die Menschen nicht auf Kategorien reduziert. Nach einem Sprechen, das sie in ihrem Facettenreichtum existieren lässt. Nach wirklich gemeinschaftlichem Denken in einer sich polarisierenden Welt. Kübra Gümüşay setzt sich seit langem für Gleichberechtigung und Diskurse auf Augenhöhe ein. In ihrem ersten Buch geht sie der Frage nach, wie Sprache unser Denken prägt und unsere Politik bestimmt. Sie zeigt, wie Menschen als Individuen unsichtbar werden, wenn sie immer als Teil einer Gruppe gesehen werden – und sich nur als solche äußern dürfen. Doch wie können Menschen wirklich als Menschen sprechen? Und wie können wir alle – in einer Zeit der immer härteren, hasserfüllten Diskurse – anders miteinander kommunizieren?“
Meinung
Ich war, um ganz ehrlich zu sein, anfangs ein wenig skeptisch: Kann man auf gerade mal 180 Seiten so ein breites Thema besprechen? Kübra Gümüşay hat mich schnell eines besseren belehrt, denn sie hat es geschafft, ganz viele vielfältige Themen anzusprechen und zu diskutieren, immer auf Augenhöhe.
Die aus Hamburg stammende Journalistin nimmt keinesfalls den Platz der strengen Lehrerin ein: Sie belehrt nicht, sie steht nicht da mit erhobenem Zeigefinger. Sie lässt uns Leser*innen aber gemeinsam in die richtige Richtung blicken, um den Sinn des Ganzen zu begreifen und aufs Wesentliche zu lenken.
Warum denken wir in Schubladen? Wieso sehen wir nur Stereotype? Woher kommt unser rechtes Gedankengut und warum verbreitet es sich so schnell? Wieso rauben wir als Gesellschaft anderen Menschen ihre Individualität? Wie können wir miteinander kommunizieren, dabei aber frei sprechen - von Mensch zu Mensch und dabei völlig gleichberechtigt?
Kübra Gümüşay nimmt uns in insgesamt zehn Essays an die Hand und lässt uns dabei viel Raum. Raum fürs Nachdenken, fürs Erkennen, dafür, dass wir uns unsere eigenen Fehler eingestehen können. Dabei ist ihre Sprache klar und deutlich. Durch viele eingeschobene Zitate untermauert die Autorin ihre Gedanken. Das Sachbuch wirkt nicht trocken oder zu vollgeladen, sondern auf den Punkt gebracht.
Nach „Sprache und Sein“ möchte ich mehr denn je in einer Welt leben, in der jeder Mensch so leben darf, wie er oder sie es möchte - ohne Einschränkung, ohne Hass, ohne Rassismus. Ich möchte aufhören, in Schubladen zu denken. Ich möchte, wenn ich einer mir fremden Person gegenüberstehe, die Individualität des Menschen sehen und nicht die Gruppe, der dieser Mensch vermeintlich angehört.
Kübra Gümüşay schreibt im Essay „Individualität als Privileg“ über die Autorin Vinda Gouma, ihres Zeichen eine Juristin aus Syrien. Schockiert hat mich folgendes Zitat von Vinda Gouma, mit dem ich meine Rezension zum Abschluss bringen möchte:
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„Ich habe durch den Krieg Freunde und Verwandte verloren, Wohnung, Job, Auto, meine Vergangenheit und meine Heimat“, schrieb Gouma. „Aber ein Verlust, den ich erst später gespürt habe, ist meine Individualität, die ich am Schlauchboot an den Grenzen Europas zurückgelassen habe.“ Zitat S. 65
Fazit
„Sprache und Sein“ von Kübra Gümüşay hat mich vieles gelehrt, ohne den bösen Zeigefinger. Es gab mir viele neue Denkanstöße. Dieses Sachbuch ist für alle, die über den eigenen Horizont schauen, dabei lernen und Vorurteile begraben möchten. Ich vergebe volle 5 Sterne. ⭐️⭐️⭐️⭐️⭐️
Sprache und Sein
208 Seiten
Hardcover
18,00 €
978-3-446-26595-0
erschienen am 27. Januar 2020